04.06.2025

Nice to meet you – Begegnungen, die bleiben (Teil 2)

Warum ein Paket voller Geschirr mich zweifach tief berührt hat.

Nach dem Tod meiner Mutter standen wir vor der Aufgabe, ihre Wohnung aufzulösen. Wir wollten nicht einfach ausräumen, wir wollten ihre Sachen in gute Hände geben und langsam loslassen. Und so haben wir Stück für Stück geschaut, wer sich über was freuen könnte. Denn fast alles, was meine Mutter besaß, war mit Erinnerungen verbunden, für sie, aber auch für uns.

Dinge mit Geschichte

Eine dieser kleinen Erinnerungen ist mit meiner Freundin Angelika verbunden. Sie hat meine Mutter immer mal wieder besucht. Und wenn sie da war, bekam sie von ihr eine der besonderen Tassen. „Besonders“ deshalb, weil es eine ihrer liebsten Tassen war und weil Angelika daraus trank, als würde sie ein kleines Ritual feiern.

Angelika hat sich gewünscht, eine dieser Tassen zu bekommen. Als kleines Andenken und auch als Verbindung zu den vielen Gesprächen, dem leckeren Kaffee, der stillen Nähe. Es war klar: Diese Tasse gehört zu ihr.

Mein Neffe, leidenschaftlicher Koch, liebt es, Soßen direkt beim Gast am Tisch aus kleinen Kännchen anzugießen. Deshalb bekam er alle Kännchen aus dem Bestand meiner Mutter. Heute erinnert ihn jedes einzelne an seine Oma.

So fanden viele Dinge ein neues Zuhause. Und mit ihnen zogen viele kleine Erinnerungen in neue Lebensräume ein. Das tat mir gut.

Die Sache mit der Wildrose

Einige Dinge wollte oder konnte niemand von uns behalten. So zum Beispiel das klassische "Wildrose"-Geschirr von Rosenthal. Vielleicht kennst du es – vermutlich haben es viele noch irgendwo im Schrank. Also stellten wir es bei Kleinanzeigen ein. Der Verkauf lief schnell, der Käufer zahlte direkt das Porto mit. Alles schien unkompliziert.

Bis ich das Paket packte. Es war deutlich schwerer als erwartet – 18 Kilo! Viel zu schwer für das vorausbezahlte Porto. Ich nahm also das noch offene Paket mit zu meiner liebsten Paketannahmestelle.

Die Frau mit dem strahlenden Blick

Ich mag diesen Ort. Die Paketannahme wird von einer Frau geleitet. Ich schätze sie auf Anfang 70 und hoffe, ich tue ihr nicht unrecht 😉. Und sie macht ihren Job einfach großartig. Mit so viel Freude, Aufmerksamkeit und Interesse, dass vermutlich jeder gerne zu ihr geht.

„Meine“ Frau in der Annahmestelle musste erstmal herausfinden, wie man bei einem bereits frankierten Paket die Differenz aufzahlt. Eine neue Herausforderung für sie – und sie war begeistert, sie anzunehmen. Und kleiner Spoiler: Natürlich hat sie es geschafft 💪.

Während sie die Optionen durchging, entdeckte sie das Geschirr im offenen Karton. "Wildrose!", rief sie aus. Sie erzählte mir, dass sie dieses Geschirr schon immer haben wollte. Zur Hochzeit hatte sie dann aber ein anderes bekommen und später war es einfach zu teuer. Da hatten andere Dinge Priorität. Ich spürte, wie gerührt sie war. Und ich selbst hatte Tränen in den Augen. Denn, wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich ihr das Geschirr meiner Mutter mit Freude geschenkt.

Als ich ihr sagte, wie wenig Geld wir dafür bekommen hatten, hatte sie wiederum Tränen in den Augen. Glücklicherweise geht die Geschichte gut aus: Sie erzählte mir, dass ihre Tochter ihr vor zwei Jahren genau dieses Geschirr geschenkt hatte – über Kleinanzeigen gekauft😉.

Lernen kennt kein Alter

Was mich neben all den Gefühlen so tief beeindruckt hat, ist diese Frau, die sich mit echter Neugier und Hingabe durch das Postsystem gewühlt hat, um mir zu helfen. Die nicht gesagt hat: "Das geht nicht." Sondern: "Ich finde raus, wie es geht." Und die sich am Ende sogar noch bei mir bedankt hat, dass sie an diesem Tag wieder etwas lernen durfte.

Über ältere Menschen wird häufig gesagt: Sie könnten nicht mehr mit Technik umgehen, sie seien nicht mehr offen für Neues. Diese Frau hat wieder mal das Gegenteil bewiesen.

Bettina und ich haben übrigens vor einiger Zeit eine Studie in Auftrag gegeben. Da geht es unter anderem auch darum, wie das Selbst- und Fremdbild von Frauen in Bezug auf Technik-Affinität ist. Die Ergebnisse liegen uns schon vor. Wir werden bald darüber berichten. Sehr spannend kann ich dir sagen.

Erinnerungen in Bewegung

Seitdem ich das Lied "Nice to meet you" höre, denke ich nicht nur an Maria (Teil 1), sondern auch an diese besondere Frau in der Postannahmestelle. An ein Paket, das voller Geschichten war. Und an die Erkenntnis, dass es häufig die kleinen und stillen Momente sind, die bleiben.

Und du? Hast du auch schon einmal eine solche Begegnung erlebt, die dir unverhofft ans Herz gewachsen ist?

Schreib uns, wir freuen uns, davon zu lesen. info@erfolgreif.de

Bettina und Sabine